Stockwerkeigentum - Prüfe, wer sich binde
Durch den Erwerb einer Stockwerkeigentumseinheit tritt die Käuferin in eine Stockwerkeigentümergemeinschaft ein und ist fortan eng mit den übrigen Eigentümerinnen verbunden.
Unstimmigkeiten zwischen Eigentümern sind häufig und teils mühselig, dennoch müssen sie ausgehalten werden. Nur wenn sich eine Stockwerkeigentümerin derart fehlbar und rücksichtslos verhält, dass den übrigen Eigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar ist, kann sie zur Veräusserung ihres Anteils verurteilt werden.
Rechtliche Voraussetzungen
Ein Ausschluss von Stockwerkeigentümern ist gemäss Art. 649b ZGB zulässig, wenn eine Stockwerkeigentümerin ihre Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft oder gegenüber einzelnen Mitberechtigen so schwer verletzt hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann. Zu den zentralen Verpflichtungen einer Stockwerkeigentümerin gehört die Respektierung des Eigentums und der Persönlichkeit der anderen Eigentümerinnen. Eine Stockwerkeigentümerin darf keiner anderen Stockwerkeigentümerin die Ausübung des Stockwerkeigentumsrechts erschweren und darf die gemeinschaftlichen Bauteile, Anlagen und Einrichtungen in keiner Weise beschädigen oder in ihrer Funktion oder äusseren Erscheinung beeinträchtigen. Der Ausschluss ist Ultima Ratio, da ein solcher einer privatrechtlichen Enteignung der Stockwerkeigentümerin gleichkommt.
Ob die Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar ist, wird vom Gericht im Einzelfall in Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs für die Auszuschliessende und den Persönlichkeitsrechten der übrigen Stockwerkeigentümerinnen entschieden. Die Rechtsprechung erachtete die Fortsetzung der Gemeinschaft beispielsweise als unzumutbar, wenn sich jemand andauernd streitsüchtig, gewalttätig und arglistig zeigt, wodurch das friedliche Zusammenleben verhindert wird. Die schwere Pflichtverletzung kann auch durch eine Vielzahl von Pflichtverletzungen, insbesondere wenn keine Besserung besteht, erfüllt sein. Pflicht- und gemeinschaftswidriges Verhalten durch Bagatellen erfüllen die Voraussetzungen jedoch nicht.
Im jüngsten Bundesgerichtsurteil in dieser Sache bestätigte das Bundesgericht den Ausschluss, da gegen den Auszuschliessenden zahlreiche zivil- und strafrechtliche Auseinandersetzungen über mehrere Jahre erforderlich wurden, all diese Gerichtsprozesse jedoch nicht zu einer Besserung des Verhaltens oder Einsicht des Ausgeschlossenen führten (BGer 5A_735/2019 vom 3. März 2020).
Verfahren
Der Ausschluss ist nur durch ein richterliches Urteil möglich. Hierzu hat die Stockwerkeigentümergemeinschaft an einer ordentlich einberufenen Versammlung mit einfachem Mehr (Art. 649b Abs. 2 ZGB) eine oder mehrere Eigentümerinnen zur Klageerhebung zu ermächtigen. Diese Eigentümerin wird dadurch zur Klage auf Ausschluss aktivlegitimiert. Die Gemeinschaft als Ganzes kann keine Klage einreichen. Die Auszuschliessende hat an der Versammlung ein Teilnahmerecht, ihre Stimme zählt für die Berechnung des Mehrs jedoch nicht. Besteht eine Stockwerkeigentümergemeinschaft lediglich aus zwei Eigentümerinnen, sind beide Eigentümerinnen einzeln zur Klageeinreichung legitimiert.
Bei der Ausschlussklage handelt es sich um eine Leistungsklage auf Verpflichtung der Auszuschliessenden zur Veräusserung ihres Anteils innert einer angemessenen Veräusserungsfrist. Die Veräusserungsfrist beträgt in der Regel wenige Monate. Wenn die Auszuschliessende die Frist nicht einhält, verfügt der Richter die öffentliche Versteigerung.
Fazit
Der gerichtlich festgestellte Ausschluss einer Stockwerkeigentümerin ist aufgrund der hohen Anforderungen an die Unzumutbarkeit selten. Bei Unstimmigkeiten in der Gesellschaft ist es aufgrund der hohen Anforderungen auf jeden Fall ratsam, vor der Ermächtigung einer Eigentümerin und somit vor der Einreichung einer Klage auf Ausschluss einer Eigentümerin die Auszuschliessende abzumahnen und eine Schlichtung oder Mediation durchzuführen oder mindestens anzustreben.
Autorin: Jennifer Caminada