Zulässigkeit von Mietzinserhöhungen im laufenden Mietverhältnis

 

Die Erhöhung von Mietzinsen im laufenden Mietverhältnis aufgrund einer Erhöhung des Referenzzinssatzes ist eine sehr technische und formalistische Angelegenheit mit vielen Fallstricken. Der vorliegende Beitrag zeigt in groben Zügen auf, was ein Vermieter bei der Erhöhung des Mietzinses zu beachten hat, was für Unterlagen er zur Rechtfertigung der Mietzinserhöhung benötigt und was für Risiken der Vermieter mit einer Mietzinserhöhung im laufenden Mietverhältnis eingeht.

Seit 2008 sank der für die Höhe der Mieten eine entscheidende Rolle spielende hypothekarische Referenzzinssatz kontinuierlich. Derzeit befindet er sich auf einen Allzeittief von 1.25%. Die Hypothekarzinsen haben sich in den letzten Monaten stark erhöht. Dies wird unweigerlich zu einer Erhöhung des Referenzzinssatzes führen. Das Bundesamt für Statistik und die Zürcher Kantonalbank erwarten eine solche Erhöhung für den Sommer/Herbst 2023.

Die Erhöhung des Referenzzinssatzes führt zu einer neuen Situation auf dem Markt für Mietwohnungen. So dürften sich die meisten Mieter erstmals seit Jahrzehnten mit steigenden Mieten im laufenden Mietverhältnis konfrontiert sehen. Es gibt Prognosen, wonach eine Mietzinserhöhung von 8% bis Ende des Jahres 2023 und Mietzinserhöhungen von 20% bis Ende des Jahres 2025 zu erwarten sind. Diese neue Situation wirft eine Vielzahl von rechtlichen Fragen auf.

1.    Formelle Voraussetzungen für eine Mietzinserhöhung

a)    Verwendung des amtlichen Formulars

In formeller Hinsicht darf der Vermieter die Erhöhung des Mietzinses nicht einfach mittels Brief anzeigen. Er ist stattdessen gehalten, das von den Kantonen für Mietzinserhöhung zur Verfügung gestellte Formular zu verwenden.

Im Kanton Zürich kann dieses Formular bei der Justizdirektion bestellt oder auf https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/organisation/direktion-der-justiz-und-des-innern/generalsekretariat/mietwesen/mietzinserhoehungsformular.pdf heruntergeladen werden. Grössere private Liegenschaftenverwaltungen haben selber entsprechende Formulare erstellt und diese vom Kanton genehmigen lassen. Nur wenn der Kanton diese Formulare genehmigt hat, ist deren Verwendung für eine Mietzinserhöhungsanzeige zulässig. Wenn nachfolgend von amtlichen Formularen die Rede ist, sind solche vom Kanton genehmigte Formulare stets mitgemeint.

Das amtliche Mieterhöhungsanzeigeformular ist eigenhändig vom Vermieter zu unterzeichnen. Maschinelle Unterschriften genügen in der Regel nicht, soweit es sich nicht um eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur vom 19. Dezember 2003 handelt.

Das amtliche Formular hat den Zweck, dem Mieter das Nachvollziehen der Mietzinserhöhung zu erleichtern. Deshalb hat das amtliche Formular zwingend den alten und den neuen Mietzins zu enthalten. Weiter muss aus dem amtlichen Formular klar hervorgehen, auf welchen Zeitpunkt die Mietzinserhöhung in Kraft tritt. Zu guter Letzt muss das amtliche Formular den Mieter informieren, welche Anfechtungsmöglichkeiten er gegen die Mietzinserhöhungen hat und wo er die Mietzinserhöhung innert welcher Frist anfechten kann.

Die Nichtverwendung des gesetzlich vorgeschriebenen Formulars führt zur Nichtigkeit der Mietzinserhöhung. Ein Mieter kann sich selbst nach Jahren noch erfolgreich auf die Nichtigkeit der Mietzinserhöhung berufen und Rückforderung der zu viel bezahlten Mietzinse verlangen.

b)   Begründung der Mietzinserhöhung

Die Mietzinserhöhung muss für den Mieter klar und verständlich auf dem amtlichen Formular begründet werden. Oftmals dürfte der dort verfügbare Platz aber nicht ausreichen, um die Gründe für die Mietzinserhöhung nachvollziehbar darzulegen. In diesem Fall bietet es sich an, die Mietzinserhöhung in einem separaten Schreiben zu begründen und zu belegen und im amtlichen Formular auf dieses Begleitschreiben zu verweisen. Ein solches Begleitschreiben und das amtliche Formular müssen dem Mieter zwingend zusammen zugehen. Ein Nachschieben der Begründung für die Mietzinserhöhung ist nicht möglich.

Zu beachten ist, dass ein pauschaler Verweis des Vermieters auf die allgemeine Kostensteigerung oder den gestiegenen Referenzzinssatz, die hohen gesetzlichen Anforderungen an die Begründung der Mietzinserhöhung nicht erfüllt. Im Fall einer Mietzinserhöhung aufgrund des gestiegenen Referenzzinssatzes muss auf dem amtlichen Formular ausdrücklich festgehalten werden, dass sich der Referenzzinssatz bspw. von 1.25% auf 1.5% erhöht hat. 

Sofern die Mietzinserhöhung aufgrund von mehreren Umständen wie bspw. der Erhöhung des Referenzzinssatzes, der allgemeinen Kostensteigerung und aufgrund von wertvermehrenden Investitionen erfolgen soll, muss der Anteil der Erhöhung des Mietzinses für jeden dieser Erhöhungsgründe separat betragsmässig ausgewiesen und belegt werden.

Ist die Begründung der Mietzinserhöhung unklar oder widersprüchlich oder fehlt es sogar ganz an einer Begründung, ist die Mietzinserhöhung nichtig.

c)    Fristen und Inkrafttreten der Mietzinserhöhung

Mietzinserhöhungen treten erst auf den nächsten vertraglich vereinbarten Kündigungstermin in Kraft. Der Vermieter hat somit die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist einzuhalten, wenn er den Mietzins erhöhen will.

Speziell zu beachten ist, dass der Vermieter aufgrund von gesetzlichen Vorgaben bei der Fristwahrung für die Mietzinserhöhung eine zusätzliche Bedenkfrist von 10 Tagen berücksichtigen muss. Die Anzeige der Mietzinserhöhung muss dem Mieter daher mindestens 10 Tage vor Beginn der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zugehen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Mieter durch diese Bedenkfrist nach Erhalt einer Mietzinserhöhung entscheiden können soll, ob er das Mietverhältnis vor Inkrafttreten der Mietzinserhöhung kündigen will.

Der Vermieter muss auch berücksichtigen, dass für die gültige Zustellung der Mietzinserhöhungsanzeige die tatsächliche Entgegennahme der Anzeige durch den Mieter massgeblich ist. Holt der Mieter die eingeschriebene Mietzinserhöhungsanzeige bei der Post nicht ab, gilt diese Anzeige erst am siebten Tage nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt. Die 10-tägige Bedenkfrist beginnt in diesen Fällen erst am Tag nach dieser fiktiven Zustellung der Mietzinserhöhungsanzeige an den Mieter.

Beispiel:

Wenn ein Vermieter die Erhöhung des Mietzinses am 15. März 2023 eingeschrieben verschickt (was aus Beweisgründen zu empfehlen ist) und der Mieter das Schreiben erst am 22. März 2022 abholt, kann die Mietzinserhöhung mangels Einhaltung der 10-tägigen Bedenkfrist und der dreimonatigen Kündigungsfrist nicht auf den 1. Juli 2023 wirksam werden.

Damit die Mietzinserhöhung am 1. Juli 2023 wirksam werden kann, muss der Vermieter sicherstellen, dass die Mietzinserhöhungsanzeige dem Mieter spätestens am 21. März 2022 zugestellt ist. Nur so ist es möglich, dass die Kündigung des Mieters vor Beginn der dreimonatigen Kündigungsfrist (d.h. vorliegend am 31. März 2023) dem Vermieter zugehen bzw. in dessen Briefkasten liegen kann. 

Das Nichteinhalten der Bedenkfrist führt nicht zur Nichtigkeit der Mietzinserhöhungsanzeige. Stattdessen wird diese auf den nächstmöglichen vertraglichen Kündigungstermin wirksam. Je nach vertraglicher Ausgestaltung kann dies allerdings erst einige Monate später als vom Vermieter geplant der Fall sein.

d)    Keine Kündigungsandrohung

Das Gesetz hält fest, dass die Erhöhung des Mietzins nicht mit einer Kündigung oder eine Kündigungsandrohung einhergehen darf.

Dabei ist nicht nur ein allfälliger Begleitbrief zur Mietzinserhöhungsanzeige massgeblich, sondern sämtliche Begleitumstände rund um die Mietzinserhöhung. Selbst mündliche Äusserungen des Vermieters können relevant sein, sofern es dem Mieter gelingt, solche Äusserungen rechtsgenüglich zu beweisen.

 

2.    Anfechtung einer Mietzinserhöhung

Nachdem der Mieter eine Mietzinserhöhung erhalten hat, muss er diese bei der Schlichtungsbehörde des Bezirks, in welchem das Mietobjekt liegt, innerhalb von 30 Tagen anfechten. Da die Anfechtungsstellen je nach Kanton variieren, ist der genaue Ort der Anfechtung dem vom Vermieter zu verwendenden amtlichen Formular zu entnehmen.

Es reicht nicht aus, beim Vermieter Einspruch gegen die Mietzinserhöhung einzulegen. Die Anfechtung der Mietzinserhöhung muss zwingend bei der zuständigen Schlichtungsstelle innert der gesetzlich vorgegebenen Frist von 30 Tagen erfolgen. Eine Verlängerung dieser Frist ist grundsätzlich nicht möglich.

Wird die Anfechtungsfrist verpasst, ist die Mietzinserhöhung gültig (sofern kein Nichtigkeitsgrund wie bspw. das Nichtverwenden des amtlichen Formulars oder eine fehlende oder unzureichende Begründung vorliegt).

Die Beweislast für die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung und die Korrektheit der geltend gemachten Mietzinserhöhung liegt beim Vermieter. Wendet der Mieter ein, dass die Mietzinserhöhung nicht rechtmässig ist, weil der Vermieter durch die Mietzinserhöhung eine übersetzte Rendite erzielt, hat der Mieter diesen Umstand zu beweisen. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass dies für den Mieter eine sehr schwierige Aufgabe ist.

 

3.    Mögliche Argumente des Mieters gegen eine Mietzinserhöhung

Sofern eine Mietzinserhöhung formell korrekt erfolgt ist, hat der Mieter die Möglichkeit, verschiedene materielle Einreden gegen die Erhöhung vorzubringen.

Der Mieter kann bspw. einwenden, dass die Mietzinserhöhung vom Vermieter falsch berechnet wurde. Eine Erhöhung des Referenzzinssatzes von 0.25% ergibt beim aktuellen Zinsniveau eine Erhöhung des Nettomietzinses von 3%.

Viel häufiger wird der Mieter aber vorbringen, dass der höhere Mietzins über dem orts- oder quartierüblichen Mietzins liegt oder dass der Vermieter mit dem neuen Mietzins einen zu hohen Ertrag erzielt. Diese beiden Fälle werden nachfolgend etwas detaillierter betrachtet.

a)    Fehlende Orts- und Quartierüblichkeit

Die Beweislast für das Überschreiten der Orts- und Quartierüblichkeit der Mietzinse liegt beim Mieter.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss der Mieter die Orts- und Quartierüblichkeit anhand von fünf Vergleichsobjekten, welche in Bezug auf Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode vergleichbar sind, belegen. Diese Vergleichsmietobjekte müssen sodann alle verschiedenen Eigentümern gehören.

Weichen die Mietzinse der verschiedenen Vergleichsmietobjekte mehr als 30-40% voneinander ab, lässt sich der Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit nicht erbringen und der Mieter dringt mit seiner Einrede gegen die Mietzinserhöhung nicht durch.

Sofern vorhanden, können auch amtliche Mietzinsstatistiken zur Begründung der Orts- und Quartierüblichkeit herangezogen werden.

In der Praxis ist es für Mieter sehr schwierig, die fehlende Orts- und Quartierüblichkeit nachzuweisen. Es wird Mietern daher nur selten gelingen, eine Mietzinserhöhung mit der Einrede der fehlenden Orts- und Quartierüblichkeit erfolgreich verhindern zu können.

b)   Übersetzter Ertrag des Vermieters

Die gesetzlichen Regeln und die Rechtsprechung haben zum Schutz der Mieter vor missbräuchlichen Mietzinsen eine Obergrenze der Rendite festgelegt, welche mit der Vermietung von Wohnraum erzielt werden darf. Führt eine Mietzinserhöhung dazu, dass diese Obergrenze überschritten wird, kann ein Mieter die Mietzinserhöhung erfolgreich anfechten.

Bei der Berechnung der zulässigen Rendite wird zwischen Brutto- und Nettorendite unterschieden.

·         Die Bruttorendite berücksichtigt die Mieterträge abzüglich der Kosten für Heizung und Warmwasser und stellt diese Erträge den gesamten Anlagekosten des Vermieters gegenüber. Diese Berechnungsweise kommt nur bei Neubauten bzw. Bauten, welche nicht älter als 10 Jahre sind, zur Anwendung.

·         Bei der Nettorendite wird auf das für den Bau oder Kauf investierte Eigenkapital und die aus dem Mietobjekt erwirtschafteten Nettomieterträge (d.h. die Erträge nach Abzug aller Kosten) abgestellt.

Massgeblich sind sowohl bei Brutto- wie auch bei der Nettorendite die Verhältnisse an dem Tag, an welchem die Mietzinsanpassung angezeigt wird. 

Die zulässige Obergrenze bei der der mit der Vermietung von Wohnraum erzielbaren Nettorendite lag bislang 0.5% über dem aktuell geltenden hypothekarischen Referenzzinssatz. Das Bundesgericht hat jedoch vor kurzem aufgrund der anhaltend tiefen Zinsen entschieden, dass neu eine Nettorendite von 2% über dem Referenzzinssatz zulässig sei (solange der Referenzzinssatz unter 2% liegt; vgl. BGE 4A_554/2019 E. 8.4). Wenn der Referenzzinssatz somit auf 1.5% angehoben wird, darf mit den Mieterträgen gemäss der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Nettorendite von 3.5% erzielt werden.

Dies soll anhand eines (stark vereinfachten Beispiels) dargestellt werden:

Beispiel:

Wenn ein Vermieter für eine Liegenschaft CHF 500'000.00 bezahlt hat (gesamte Anlagekosten exkl. Fremdkapital) und Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungskosten von jährlich CHF 12'000.00 pro Jahr anfallen, darf die Miete CHF 29'500.00 pro Jahr (3.5% x CHF 0.5 Mio. = CHF 17'500.00 + CHF 12'000.00) nicht übersteigen.

Dies bedeutet, dass die mit Eigenmittel von CHF 500'000.00 gekaufte Liegenschaft für maximal CHF 2'458.00 pro Monat (exkl. Nebenkosten) vermietet werden darf.

Im Einzelfall ist die Berechnung der zulässigen Nettorendite jedoch viel komplizierter. So kann die Bestimmung der Anlagekosten bereits viele, nicht leicht zu beantwortende Fragen aufwerfen. Weiter steigt der Komplexitätsgrad, wenn es nicht um ein einzelnes Mietobjekt, sondern um ein Mehrfamilienhaus mit verschiedenen Wohnungen mit unterschiedlicher Grösse geht.

Die Bruttorendite galt bislang nicht als missbräuchlich, wenn sie nicht mehr als 2 % höher war als der aktuelle hypothekarische Referenzzinssatz. Es ist derzeit noch unklar, ob die Rechtsprechung zur zulässigen maximalen Nettorendite auch Auswirkungen auf die maximal zulässige Bruttorendite haben wird. Entsprechende Entscheides des Bundesgerichts stehen diesbezüglich noch aus.

 

4.    Fazit

Bereits die Einhaltung der Formalien für eine Mietzinserhöhung kann mit Tücken verbunden sein und beinhaltet einige Stolpersteine für den Vermieter.

Die Berechnung der Zulässigkeit einer Mietzinserhöhung ist eine sehr technische Angelegenheit und kann schnell kompliziert werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Mieter sich der Mietzinserhöhung mit der Begründung entgegenstellt, dass der Vermieter einen übersetzten Ertrag aus der Vermietung erzielt.

Eine Niederlage vor der Schlichtungsbehörde in Bezug auf die Mietzinserhöhung kann mit beträchtlichen Einschränkungen für den Vermieter verbunden sein. So profitiert ein Mieter bei erfolgreicher Abwehr einer Mietzinserhöhung von einer 3-jährigen Sperrfrist, in welcher der Vermieter dem Mieter nicht ordentlich kündigen kann. 

Zur Vermeidung von aufwändigen Prozessen mit ungewissem Ausgang ist einem Vermieter daher zu empfehlen, bereits vor Anzeige einer Mietzinserhöhung zu überprüfen, ob nach der Erhöhung des Mietzinses eine übersetzte Rendite erzielt wird.

Sodann dürfte es in vielen Fällen sinnvoll sein, die Einhaltung der Formalien der Mietzinserhöhung vorgängig von einem Juristen prüfen zu lassen.

Autor: Christian Stoll

 
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