Airbnb-Boom: Dürfen Eigentümer und Mieter ihre Wohnung kommerzialisieren?

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Trotz pandemiebedingter Reisebeschränkungen erging kürzlich der fulminante Börsenstart der Buchungsplattform Airbnb. Damit wurde der digitalen Kommerzialisierung privater Parahotellerie weiteren Schub verliehen. Können auch Schweizer Wohnungseigentümer und Mieter davon ökonomisch profitieren? Müssen umgekehrt die Hausmitbewohner und Vermieter solches dulden?

Rechtslage bei Eigentumswohnungen
Gemäss wegweisendem Urteil des Bundesgerichts vom 4. April 2019 (5A_436/2018) richtet sich die Zulässigkeit einer internetbasierten Kurzzeitvermietung von Eigentumswohnungen nach den konkreten Verhältnissen im Einzelfall. Entscheidend seien die herkömmliche Benutzungsart und die Lage der Liegenschaft, etwa ob ein städtisches Wohnhaus oder eine Ferienwohnung in touristischem Gebiet vorliegt. In einem Mehrfamilienhaus, zumal bei «gehobenem Wohnen» in einer Erstwohnresidenz seien gemeinschaftliche Infrastrukturbereiche (Fitness, Sauna, Schwimmbad, Waschküche, Dachterrasse) nicht für Dritte bestimmt, da keine Ferienliegenschaft vorliege, zudem sei auch das Ruhebedürfnis wichtiger als bei Urlaubsbewohnern. Die Benutzungsart könne im Stockwerkeigentumsreglement oder später mit dem erforderlichen Quorum verbindlich festgelegt werden. Anhaltspunkte für die zulässige Nutzung können sich auch aus der bisherigen Nutzungsweise in der Eigentümergemeinschaft ergeben. Das Sonderrecht des einzelnen Miteigentümers darf jedoch nicht seines Kerngehalts beraubt bzw. wertmässig ausgehöhlt werden, weshalb ein generelles Vermietungsverbot unzulässig wäre. Möglich sei hingegen ein Verbot der tage-, wochen- oder monatsweisen Vermietung.

Unzulässig ist die Kurzzeitvermietung via Airbnb immer dann, wenn sie einer reglementarischen Zweckbestimmung, der definierten Benutzungsweise oder einer Erstwohnungspflicht widerspricht. Nicht abschliessend geklärt ist, ob in «gewöhnlichen» Stockwerkeigentumsgemeinschaften ohne besondere Allgemeininfrastruktur wie Fitness- oder Wellnessbereich eine Kurzzeitvermietung ebenfalls unzulässig ist, wenn hierzu keine reglementarische Vorgabe besteht. Tendenziell dürfte davon auszugehen sein, dass eine gelegentliche Kurzzeitvermietung über Airbnb noch keine Zweck- oder Nutzungsänderung darstellt und daher zulässig ist. Eine regelmässige oder gar gewerbliche Gästebeherbergung wird hingegen unzulässig sein. Es kommt somit auch auf die Intensität von Benutzerwechseln und mit solcher Vermietung ausgelöster Immissionen an. Ohne explizite Regelung der Gemeinschaft wird in touristischen Liegenschaften das Feilbieten über Airbnb grundsätzlich erlaubt sein. Ein allfälliges Fehlverhalten von Gästen wie Nachtruhestörungen dürfte nur individuell, nach Massgabe der Hausordnung, zu sanktionieren sein, wofür der beherbergende Stockwerkeigentümer haftet. Unter welchen Umständen ein Airbnb-Verbot nachträglich an einer Stockwerkeigentümerversammlung beschlossen oder aufgehoben werden kann, hängt von den individuellen Verhältnissen jedes Einzelfalls ab. Sofern im Begründungsakt bzw. Reglement kein erforderliches Quorum festgelegt wurde, stellt sich die (umstrittene) Frage, ob die nachträgliche Nutzungseinschränkung durch ein Airbnb-Verbot lediglich das qualifizierte Mehr für wichtigere Verwaltungshandlungen (Art. 647b Abs. 1 ZGB) oder Einstimmigkeit für Zweckänderungen (Art. 648 Abs. 2 ZGB) erfordert. Ein Mehrheitsbeschluss nach Köpfen und Wertquoten reicht wohl dann aus, wenn dadurch keine einschneidende wirtschaftliche Änderung der bislang zulässigen Nutzweise erfolgt. Ist hingegen eine Kurzzeitvermietung reglementarisch verboten und sind einzig nicht kommerzielle Wohnnutzungen erlaubt, so könnte die nachträgliche Zulassung von Airbnb dem Einstimmigkeitserfordernis unterliegen, zumal falls keine Beschränkungen der Kurzzeitvermietung vorgesehen würden.

Vorgaben des Mietrechts
Unter den in Art. 262 Abs. 2 OR genannten Voraussetzungen ist der Mieter grundsätzlich berechtigt, das Mietobjekt ganz oder teilweise unterzuvermieten. Dieses Recht kann ihm vertraglich nicht genommen werden. Allerdings darf als gesichert gelten, dass der Gesetzgeber, als er das «Untervermietungsprivileg» schuf, nicht an die kurzzeitige «hotelartige» Aufnahme von Gästen gedacht hat. Hinzu kommt, dass die Einhaltung der in Art. 262 Abs. 2 OR statuierten Voraussetzungen bei einer «Airbnb-Untervermietung» praktisch unmöglich ist, hat doch der Mieter, wenn er eine Buchungsanfrage erhält, lediglich 24 Stunden Zeit, um dem Anfragenden ein Angebot zu machen. Diese Zeit reicht indessen nicht, um vorgängig die Zustimmung beim Vermieter einzuholen, zumal diesem ebenfalls noch eine gewisse Zeit zur Prüfung der Untermietbedingungen eingeräumt werden muss (in der Regel 2 bis 4 Wochen!). Unter geltendem Recht dürfte daher eine «Airbnb-Untervermietung» nicht zulässig sein. Vorbehalten bleibt selbstverständlich, dass der Vermieter seinem Mieter die Untervermietung via Airbnb, generell oder unter gegenüber den Voraussetzungen von Art. 262 Abs. 2 OR erleichterten Bedingungen, vertraglich gestattet

 

Autoren: Daniel Thaler, Matthias Tschudi

 
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Wann darf eine Eigentumswohnung über Plattformen wie Airbnb kommerzialisiert werden?