Das Gemeinschaftspfand – Eine scharfe Waffe des Stockwerkeigentumsrechts

 

Stockwerkeigentum ist beliebt und gleichzeitig gefürchtet. Beliebt, weil es selbst in der aktuell schwierigen Lage auf dem Immobilienmarkt für den Mittelstand die Möglichkeit gibt, Wohneigentum zu erwerben. Gefürchtet, weil man mit dem Erwerb einer Wohnung in eine „Gemeinschaft“ mit einer kleineren oder grösseren Anzahl Personen gezwungen wird. Dass es dabei zu Konflikten kommen kann und durchaus oft auch kommt, ist daher nicht überraschend.

Der vorliegende Beitrag soll ein eher wenig bekanntes Instrument im Stockwerkeigentumsrecht und die damit verbundenen Möglichkeiten beleuchten. Konkret geht es um das Pfandrecht der Stockwerkeigentümergemeinschaft an einzelnen Stockwerkeigentumseinheiten von Eigentümern (auch Gemeinschaftspfand genannt).


Gesetzliche Grundlage

Das Gesetz gibt der Stockwerkeigentümergemeinschaft (STWEG) das Recht, die Wohnung eines ihrer Mitglieder mit einem Pfandrecht zu belegen und im Extremfall sogar die Pfandverwertung bzw. den Zwangsverkauf der entsprechenden Stockwerkeigentumseinheit zu erzwingen.

Die Möglichkeit des Gemeinschaftspfands ist zwingend. Selbst wenn sich also alle Stockwerkeigentümer einig wären und einen vom Notar öffentlich beurkundeten Vertrag auf Verzicht dieses Recht auf Eintrag eines Gemeinschaftspfand abschliessen wollten, könnte dieses Recht nicht wegbedungen werden. Der Gesetzgeber hat es offenbar als sehr wichtig erachtet, dass dieses Instrument jeder STWEG zur Verfügung steht.

Die STWEG ist beschränkt rechtsfähig. Sie kann daher im eigenen Namen Konten führen und Verträge abschliessen. Die Finanzmittel einer STWEG können nur von ihren Mitgliedern kommen. Entsprechend gibt es ein grosses Interesse daran, dass die Mitglieder notfalls auch mittels Druck dazu gebracht werden, ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber der STWEG nachzukommen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber es für derart wichtig erachtet, dass das Gemeinschaftspfand möglich ist.


Voraussetzungen für die Eintragung des Gemeinschaftspfandes

Die Möglichkeit der Zwangsversteigerung einer Stockwerkeigentumseinheit klingt auf den ersten Blick wie eine perfekte Möglichkeit, um einen unliebsamen Stockwerkeigentümer loszuwerden. So einfach ist die Sache aber nicht. Es gibt dabei aber einige Hürden zu überspringen und viele Formalien einzuhalten.

Ein Gemeinschaftspfand kommt erst dann in Frage, wenn der Eigentümer dieser Stockwerkeigentumseinheit seine Beitragsforderungen gegenüber der Gemeinschaft nicht erfüllt hat. Dies setzt in einem ersten Schritt voraus, dass solche Beiträge an einer Stockwerkeigentümerversammlung rechtsgültig beschlossen worden sind. Es kann sich dabei um Budgetbeiträge für das laufende Jahr oder aber auch um Nachzahlungen für eine abgelaufene Abrechnungsperiode handeln. Diese Beiträge müssen aber zwingend die gemeinschaftlichen Kosten -und Lasten der STWEG betreffen. Hierzu gehört auch der Beitrag an den Erneuerungsfonds.

Diese Beitragsforderung eines Stockwerkeigentümers muss sodann fällig sein und der Eigentümer muss mit der Bezahlung in Verzug sein. Bei Budgetbeträgen ist die Fälligkeit anhand des Reglements oder des konkreten Beschlusses der STWEG zu bestimmen. Der Verzug tritt ein, wenn der säumige Eigentümer von der STWEG gemahnt wird oder wenn im Reglement ein Verfalltag festgelegt wurde.


Zeitliche Einschränkung

Das Gemeinschaftspfandrecht ist in zeitlicher Hinsicht limitiert. Es können nur die säumigen Beiträge der letzten drei Jahre mit diesem Institut gesichert werden.

Lange war strittig, wie sich der Anfang und das Ende dieser Frist bestimmen. So gab es Lehrmeinungen, die der Auffassung waren, dass ein Pfandrecht nur für abgeschlossene Abrechnungsperioden in Frage komme und dass erst die Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch analog zum Bauhandwerkerpfand für die Wahrung der 3-Jahresfrist massgeblich ist. Andere Lehrmeinungen in der juristischen Literatur waren der Ansicht, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Abrechnungsperiode abgeschlossen ist oder nicht und dass es bei der Berechnung der 3-jahresfrist auch nicht auf die Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch, sondern alleine auf das Stellen des Begehrens ankomme.

Das Bundesgericht hat diese Fragen am 8. November 2023 im Entscheid BGer 5A_357/2022 entschieden.

·   Es ist nun höchstrichterlich entschieden, dass auch für Beiträge des laufenden Rechnungsjahres ein Gemeinschaftspfand eingetragen werde kann. Man muss also nicht den Abschluss einer Abrechnungsperiode abwarten.

·   Auch bezüglich der Fristwahrung hat sich das Bundesgericht in diesem Entscheid geäussert. Massgeblich ist der Zeitpunkt des Gesuchs um Eintragung des Gemeinschaftspfandes. Sämtliche Beitragsforderungen der Gemeinschaft, welche innerhalb von drei Jahren seit der Gesuchseinreichung fällig geworden sind, können gemäss Bundesgericht mit dem Gemeinschaftspfand gesichert werden.

Konkret bedeutet dies, dass wenn ein Gesuch um Eintragung eines Gemeinschaftspfandes am 1. Februar 2025 gestellt wird, sämtliche nach dem 1. Februar 2022 fällig gewordenen Forderungen mit dem Gemeinschaftspfand gesichert werden können.

Anders als bei Bauhandwerkerpfandrechten ist somit zur Wahrung der Fristen beim Gemeinschaftspfand nicht der Eintrag im Grundbuch massgeblich.


Entstehung des Gemeinschaftspfandes

Damit das Gemeinschaftspfand entsteht, muss es im Grundbuch auf dem Grundbuchblatt der Stockwerkeigentumseinheit desjenigen Eigentümers eingetragen werden, welcher mit seinen Beitragszahlungen säumig ist.

Damit der Grundbuchverwalter das Gemeinschaftspfand einträgt braucht es entweder eine Anerkennung durch den säumigen Stockwerkeigentümer oder aber eine richterliche Anordnung. In der Praxis läuft es meist darauf hinaus, dass das Gericht die Eintragung des Gemeinschaftspfands im Grundbuch anordnen muss, da ein säumiger Stockwerkeigentümer in der Regel die Forderung nicht anerkennt oder seine Zustimmung zur Eintragung des Pfandrechts gibt.


Verfahren zur Eintragung des Gemeinschaftspfandes

a)   Vorsorgliche Massnahmen

Bei Dringlichkeit kann das Pfandrecht mittels vorsorglicher Massnahme vorläufig eingetragen werden. Dies geschieht in Form einer Vormerkung im Grundbuch. Die vorläufige Eintragung des Gemeinschaftspfandes erfolgt im Rahmen eines Summarverfahrens, nachdem der betroffene Stockwerkeigentümer vom Gericht angehört wurde.

Wenn noch grössere Eile geboten ist, kann die vorläufige Eintragung auch superprovisorisch verlangt werden. Die superprovisorische Eintragung erfolgt ohne Anhörung der Gegenseite direkt nach Gesuchseingang. Die STWEG muss dem Gericht hierfür glaubhaft machen, dass eine Anhörung des säumigen Stockwerkeigentümers den Zweck des Gesuches vereiteln würde bzw. dass hierfür keine Zeit besteht, da die STWEG sonst ihren Anspruch verlieren würde. Nach der superprovisorischen Eintragung erhält der säumige Stockwerkeigentümer das rechtliche Gehör und das Gericht entscheidet darauf hin, ob die superprovisorische Eintragung in Form einer vorläufigen Eintragung aufrechterhalten wird oder nicht.

Vorläufige Eintragung des Gemeinschaftspfandes finden im Summarverfahren statt und können vom Verwalter der STWEG ohne formellen Beschluss der Gemeinschaft initiiert werden. Da auf die summarisch erfolgte vorläufige Eintragung aber zwingend ein ordentliches Gerichtsverfahren mit allen Kosten und Risiken und juristischen Fallstricken folgt, ist der Verwalter trotzdem gut beraten, diese Thematik vorgängig mit der STWEG zu besprechen.

Mit dem oben erwähnten Urteil des Bundesgerichts (BGer 5A_357/2022) hat sich die Ausgangslage für die vorläufige Eintragung des Gemeinschaftspfandrechts grundlegend geändert. Da gemäss Bundesgericht nicht der Zeitpunkt der Eintragung des Gemeinschaftspfandes, sondern das Stellen des Gesuchs für die Wahrung der 3-Jahresfrist massgeblich ist, ist es schwieriger geworden, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass eine zeitliche Dringlichkeit besteht und deshalb das rasche Summarverfahren für eine provisorische Eintragung des Gemeinschaftspfandes in Anspruch genommen werden muss. Wie vorstehend erwähnt, ist die Frist zur Eintragung des Pfandrechts mit der rechtzeitigen Einreichung eines Gesuches gewahrt. Die STWEG ist also nicht mehr darauf angewiesen, dass ein ganzes Gerichtsverfahren durchprozessiert wird und dass das Gericht rechtzeitig ein Urteil fällt. Damit entfällt das Argument, dass ein Anspruch infolge Zeitablauf verloren geht als Begründung für Dringlichkeit.

Verschiedene kantonale Gerichte sehen eine Dringlichkeit darin, dass der Zeitpunkt der Eintragung des Gemeinschaftspfandes für den Gläubiger wichtig ist, da bei der Realisierung des Pfandrechts bzw. der Verwertung des Grundstücks Alterspriorität gilt. So soll es nicht sein, dass die STWEG anders als Bauhandwerker das summarische Verfahren zur Eintragung ihres Pfandes nicht in Anspruch nehmen können und deshalb Bauhandwerkerpfandrechte bei der Eintragung und Verwertung einen Vorteil im Vergleich zu den STWEG haben. Allerdings ist auch diese Überlegung der Gerichte kein Freipass für die Inanspruchnahme des Summarverfahrens in jeder Konstellation. Sofern es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, dass andere Gläubiger ein Pfandrecht eintragen könnten, kann ein Gericht zum Schluss kommen, dass es an einer Dringlichkeit fehlt und das Gesuch auf vorläufige Eintragung des Gemeinschaftspfandes kostenpflichtig ablehnen.

b)   Ordentliches Verfahren

Besteht keine Dringlichkeit ist die STEWG gehalten, das Gemeinschaftspfand auf dem ordentlichen, deutlich länger dauernde Weg im Grundbuch definitiv eintragen zu lassen.

Dieses setzt voraus, dass vorab ein Schlichtungsgesuch beim Friedensrichter eingereicht wird (sofern nicht zuvor eine provisorische Eintragung im Summarverfahren erfolgt ist).

Nach gescheiterter Schlichtung kann die STWEG innerhalb von drei Monaten Klage beim zuständigen Bezirksgericht einreichen. Im Rahmen dieses Verfahren hat die STWEG ihren Anspruch nicht nur glaubhaft zu machen, sondern den strikten Beweis zu erbringen.

Der Verwalter hat zur Einleitung eines Verfahrens auf definitive Eintragung des Gemeinschaftspfandes in der Regel keine Befugnis. Es braucht also in diesen Fällen einen Beschluss der STWEG mit einfacher Mehrheit, welcher der Verwalter seiner Klage als Nachweis seiner Legitimation beilegen muss. Alternativ können auch sämtliche Stockwerkeigentümer die Klage auf definitive Eintragung des Gemeinschaftspfandes unterzeichnen.


Fazit

Das Gemeinschaftspfand ist ein starkes Mittel der STWEG, um ihre Beiträge von einem säumigen Mitglieder erhältlich zu machen. Selbst wenn sich ein Stockwerkeigentümer ins Ausland abgesetzt hat und sich seinen Verpflichtungen entziehen kann, hat die STWEG dank dem Gemeinschaftspfandrecht die Möglichkeit, die Verwertung der Stockwerkeigentumseinheit des säumigen Eigentümers und zu verlangen, um die offenen Forderungen beglichen zu erhalten. Sodann scheidet der säumige Eigentümer durch den Verkauf aus der STWGE aus. Damit entfällt für die STWEG auch das oft mühselige Inkasso der ausstehenden Beiträge bei diesem Eigentümer.

Es ist jedoch nicht immer ganz einfach die formellen Anforderungen und die Begründung des Gemeinschaftspfand rechtsgenüglich zu erfüllen. Immerhin hat das Bundesgericht mit seinem Entscheid aus dem Jahr 2023 wesentliche Fragen zur Eintragung geklärt.

Trotzdem ist die Wahl des Verfahrens zur Eintragung nach wie vor eine nicht ganz einfache Angelegenheit, welche ein sorgfältiges Abwägen erfordert.

Entsprechend sollte sich eine STWEG vor Einleitung eines solchen Schrittes juristisch beraten lassen, um sicherzustellen, dass sämtliche für das Gericht erforderlichen Unterlagen vorhanden sind und dass sämtliche rechtserheblichen Darlegungen in der Klage auf Eintragung des Gemeinschaftspfandes enthalten sind.

 

Autor: Christian Stoll

 
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