Ein Mehrwert für Stadt, Bauherr und Bewohner
Manchmal haben Grundeigentümer Glück: Durch einen vorteilhaften Nutzungsplan wird ihr Grundstück aufgewertet. Damit auch die Allgemeinheit profitiert, braucht es einen Ausgleich – etwa in Form des städtebaulichen Vertrags.
In der Stadt Zürich sowie in anderen Zürcher Gemeinden ist der städtebauliche Vertrag bereits seit langem ein bekanntes Instrument. Doch welchen Zweck verfolgt er? Im Kern ist er ein Mittel der Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten Investoren; er dient der materiellen oder finanziellen Abgeltung von sogenannten Planungsvorteilen.Werden die Möglichkeiten zur Nutzung eines Grundstücks verbessert, etwa mittels Nutzungs- oder Sondernutzungsplanung, profitiert der betroffene Eigentümer davon. Ganz im Gegensatz zur Allgemeinheit. Denn die Kosten dieser Aufwertung bezahlt die öffentliche Hand. Genau hier kommt der städtebauliche Vertrag ins Spiel.Der Bauherr,der in den Genuss eines Planungsvorteils kommt, verpflichtet sich mit einem solchen Vertrag im Gegenzug zu einem monetären Ausgleich oder einer Sachleistung im öffentlichen Interesse. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das von derAxaWinterthur geplante neue Geschäftshaus am Bahnhof Stadelhofen. Das von dem Architekten Santiago Calatrava entworfene Projekt sieht zugunsten der Allgemeinheit eine unterirdische Velogarage mit rund tausend Plätzen vor, teilweise mitfinanziert von der Axa Winterthur. Doch ist der städtebauliche Vertrag
rechtlich geregelt? Das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG) sieht vor, dass die Kantone einen Ausgleich von planungsbedingten Vorteilen im kantonalen Recht einführen müssen. Im Kanton Zürich soll das vom Kantonsrat beschlossene entsprechende Gesetz (Mehrwertausgleichsgesetz, MAG) voraussichtlich Anfang 2021 in Kraft treten. Der Regierungsrat ist zurzeit an der Ausarbeitung der Mehrwertausgleichsverordnung. Zwar sieht das MAG bei Auf- und Umzonungen grundsätzlich eine finanzielle Abgabe vor, doch gleichzeitig soll auch die bisher praktizierte Möglichkeit des Ausgleichs mittels städtebaulicher Verträge beibehalten werden. Mit dem Inkrafttreten des Mehrwertausgleichsgesetzes wird allerdings neu eine Rückfalllösung bestehen – für den Fall, dass die Vertragsverhandlungen scheitern. Dann verpflichtet das Gemeinwesen den Grundeigentümer mittels Verfügung dazu, die gesetzliche Abgabe zu entrichten.
Zwei Voraussetzungen erfüllen
Städtebauliche Verträge sind Verträge nach Verwaltungsrecht, und eine Kombination mit einer Abgabe ist nur beschränkt gestattet. Gemäss Rechtsprechung müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, damit solche Verträge zulässig sind. Zunächst ist zu prüfen, ob ein Rechtssatz diese Handlungsform vorsieht oder zumindest einen Handlungsspielraum offenlässt. Gewisse Kausalabgaben wie Vorzugslasten oder Mehrwertabgaben sind einer vertragsweisen Regelung zugänglich. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass damit keine eigentliche Abgabevergünstigung bezweckt wird. Ob der Mehrwertausgleichsvertrag einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf oder ob es ausreichend ist, wenn das Recht bloss keine anderslautende Bestimmung enthält, ist in der Lehre strittig. Im Kanton Zürich erhält der städtebauliche Vertrag mit dem Mehrwertausgleichsgesetz eine rechtliche Grundlage. Daraus ergibt sich auch dessen grundsätzliche Zulässigkeit. Als weitere generelle Voraussetzung muss der verwaltungsrechtliche Vertrag im Vergleich zur Verfügung als die geeignetere Handlungsform erscheinen. Das heisst,es bedarf eines Motivs für dieWahl der Vertragsform.Anhaltspunkte, in welchen Fällen eine vertragliche Lösung gerechtfertigt und einer Verfügung vorzuziehen ist, ergeben sich aus dem Mehrwertausgleichsgesetz selbst. Gegenstand eines städtebaulichenVertrages kann insbesondere die Beteiligung der Bauherrschaft an der Infrastruktur, an öffentlichen Einrichtungen oder der Gestaltung des öffentlichen Raumes sein (zum Beispiel die Erstellung und Gestaltung von Parks, Plätzen, Grünanlagen und Erholungseinrichtungen). Weiter wird etwa auch die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum genannt. Die vertraglich begründeten Pflichten müssen somit im Interesse der Siedlungsentwicklung liegen sowie in einem Zusammenhang mit der Verwirklichung des Bauvorhabens stehen. Ausserdem dürfen sie vom Bauherrn mangels gesetzlicher Grundlage nicht erzwungen werden. Trifft dies zu, rechtfertigt sich der Abschluss eines Vertrages zwischen dem Gemeinwesen und dem Bauherrn.
Attraktive Alternative
Der Ausgleich mittels städtebaulicher Verträge soll bei Auf- und Umzonungen zulässig sein, wobei von der aufgrund des Mehrwertes geschuldeten Abgabe abgewichen werden kann. Der Bauherr kann also stattdessen eine gleichwertige Sach- oder Dienstleistung vereinbaren, allenfalls in Kombination mit einer teilweisen monetären Ausgleichszahlung. Knacknuss der Verhandlungen dürfte dabei regelmässig die Einigung der Parteien auf eine «gleichwertige» Alternativleistung sein. Für das Gemeinwesen und den Privaten müssen die Vorteile gegenüber dem monetären Ausgleich überwiegen, sonst bleibt es bei der Entrichtung der Mehrwertabgabe. Die Möglichkeit, einen städtebaulichen Vertrag abzuschliessen, ist unter bestimmten Voraussetzungen attraktiv für Bauherren und Investoren. Das Mehrwertausgleichsgesetz enthält keine abschliessende Aufzählung möglicher Vertragsgegenstände. Hier sind kreative Ideen gefragt. Bringt sich der Bauherr aktiv in die Gestaltung des öffentlichen Raumes ein, kann er seinen Ausgleichsbeitrag im Idealfall auf die Bedürfnisse der (künftigen) Bewohner der Liegenschaft abstimmen. So wird gar ein zusätzlicher Mehrwert generiert.
Autoren: Sabrina Bernet-Maurer, Thomas Spoerri