Von Villenservituten und anderen Baubeschränkungen
Beim Erwerb eines Baugrundstücks oder einer Stockwerkeigentumswohnung stellt sich regelmässig die Frage, ob der beabsichtigten Überbauung oder Nutzung irgendwelche besondere rechtliche Schranken entgegenstehen.
Soweit solche Schranken privatrechtlicher Natur sind, ergeben sich diese in erster Linie aus den Eintragungen im Grundbuch.
Privatrechtliche Eigentumsbeschränkungen
Darin werden vor allem Dienstbarkeiten zugunsten und zulasten eines Grundstücks aufgeführt, die sehr unterschiedlich gestaltet sein können. Besonders einschränkend sind Bau- und Nutzungsbeschränkungen, die zum Beispiel nur die Bebauung eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus oder nur eine eingeschossige Baute erlauben oder sogar jegliche Bauten ganz oder teilweise verbieten. Zu erwähnen sind dabei sogenannte Villenservitute aus den 1920/1930er-Jahren, die mit dem Ziel errichtet wurden, den Charakter eines bürgerlichen Wohnquartiers – im Gegensatz zu einem Arbeiter- oder Industriequartier – zu gewährleisten. Oft ist der Inhalt solcher Dienstbarkeiten nicht abschliessend klar, sodass sich zu einem Baubewilligungsverfahren ein Zivilverfahren gegen die Dienstbarkeitsberechtigten gesellt, in dem die Übereinstimmung eines Bauvorhabens mit dem Inhalt der Dienstbarkeit zu klären ist (vgl. etwa BGer 5A_617/2009).
Bei Mit- und Stockwerkeigentum kommt hinzu, dass privatrechtliche Eigentumsbeschränkungen auch ohne Eintragung im Grundbuch bestehen können, zum Beispiel aufgrund eines Eigentümerreglements oder weiterer Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft, die ohne Eintragung im Grundbuch für jeden Erwerber eines Miteigentumsanteils verbindlich sind (Art. 649a ZGB). Hierzu zählt unter anderem ein im Reglement enthaltenes Verbot, in der Wohnung ohne Zustimmung der Eigentümergemeinschaft ein Büro oder eine Praxis zu betreiben.
Öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen
Neben solchen privaten Beschränkungen bestehen ebenfalls solche aufgrund des öffentlichen Rechts. Zu nennen sind neben den allgemeinen Vorschriften der Baugesetzgebung Auflagen des Denkmalschutzes (wonach ein Gebäude grundsätzlich nicht verändert werden darf) oder des Zweitwohnungsgesetzes (wonach eine Wohnung nicht als Zweitwohnung beziehungsweise als «touristisch bewirtschaftete Wohnung» genutzt werden darf).
Solche öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen werden nur teilweise im Grundbuch angemerkt. Voraussetzung hierfür ist, dass eine solche Beschränkung nur für ein bestimmtes Grundstück und mit längerer Wirkung gilt (vgl. 962 ZGB). Weit zahlreicher sind die nicht im Grundbuch eingetragenen Beschränkungen, die sich aus Auflagen in den Baubewilligungen oder aufgrund genereller Gesetzesbestimmungen ergeben.
Im Rahmen von Kaufverträgen findet sich regelmässig nur ein Hinweis, dass der Notar den Käufer darauf hingewiesen habe, dass öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen unabhängig von einer Anmerkung im Grundbuch rechtsgültig bestehen könnten. Der Käufer habe sich bei den zuständigen Amtsstellen über solche Eigentumsbeschränkungen (Nutzungsvorschriften und -beschränkungen, baurechtliche Vorschriften und Auflagen, Altlasten usw.) direkt zu informieren.
Häufig wird diesem Hinweis seitens des Käufers keine grosse Beachtung geschenkt, obschon es dem Käufer im Nachhinein in der Regel verwehrt sein dürfte, aufgrund solcher Beschränkungen irgendwelche Rechte (vor allem Kaufpreisminderungen oder gar Wandlung) gegenüber dem Verkäufer geltend zu machen.
Abklärungen bei der Baubehörde
Erste Adresse für solche Abklärungen ist die kommunale Baubehörde, bei der Auskünfte über den bewilligten Zustand eines bestehenden Gebäudes eingeholt werden können. In der Regel ist für den Einblick in die Baubewilligungsunterlagen die Zustimmung des Verkäufers erforderlich.
Nicht selten lässt sich dabei feststellen, dass ein ausgebautes Zimmer im Dach- oder Untergeschoss gar nicht als Wohnraum genutzt werden darf. Bei Stockwerkeigentum kann es vorkommen, dass eine Gartenfläche, die im Reglement einem Eigentümer zur ausschliesslichen Nutzung zugewiesen ist, gemäss Baubewilligung zwingend als gemeinschaftliche Spiel- und Ruhefläche zu verwenden ist. Oder dass ein im Reglement exklusiv zugewiesener Abstellplatz gemäss Baubewilligung zwingend als Besucherparkplatz freizuhalten ist.
Beschränkungen können sich überdies aufgrund der vorbestehenden baulichen Situation auf dem Nachbargrundstück ergeben, zum Beispiel wenn ein Gebäude auf dem Nachbargrundstück den gesetzlichen Abstand zur gemeinsamen Grenze unterschreitet, mit der Folge, dass ein Gebäude auf dem eigenen Grundstück einen grösseren Grenzabstand einzuhalten hat, damit der gesetzliche Gebäudeabstand gewahrt ist.
Öreb-Kataster
Was die generellen öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen betrifft, führen die Kantone seit Neuerem sogenannte Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (Öreb-Kataster). Diese frei zugänglichen Geodatenbanken sollen eine Ergänzung zum Grundbuch darstellen. Sie decken in der Regel Bereiche wie Raumplanung, Strassen, Eisenbahnen, Flughäfen, belastete Standorte, Grundwasserschutz, Lärm und Wald ab. Daraus lassen sich Baulinien und Waldabstandslinien entnehmen, die nicht mit Bauten überstellt werden dürfen. Aus den Angaben zum Grundwasser ergeben sich Einschränkungen, wie tief ein Gebäude in den Baugrund ragen darf.
Zusammen mit dem Öreb-Kataster betreiben die Kantone weitere Geodatenbanken (Geoportale /Web-GIS), aus denen sich zusätzliche nützliche Angaben zu einem Baugrundstück und dessen Umgebung entnehmen lassen, zum Beispiel zu Standorten von Mobilfunkantennen, zu Stickstoffbelastungen oder zu Bienenständen.
Fazit
Bei einem Kauf eines Grundstücks oder einer Stockwerkeigentumswohnung sind sowohl ein Blick in das Grundbuch als auch Abklärungen bei der Baubehörde und eine Einsichtnahme in das Öreb-Kataster zu empfehlen. Beim Erwerb von Mit- und Stockwerkeigentum sollte Einsicht in die geltenden Reglemente sowie in die davon abweichenden Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft genommen werden, damit allfällige Baubeschränkungen frühzeitig erkannt werden.
«Die Kantone führen seit Neuerem sogenannte Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen.»
Autor: Christian Berz