Nachhaltigkeit und Klimaschutz: neue Trends im Baurecht
Der hochwertigen Siedlungsentwicklung sowie klima- und umweltgerechten Bauvorhaben kommt im Planungs- und Baurecht grössere Bedeutung zu. Für Projektentwickler:innen und Bauherrschaften ergeben sich daraus knifflige Herausforderungen und das Risiko empfindlicher Eigentumseinschränkungen.
Lärmschutz als Bauverhinderer – Remedur durch Gesetzesrevision?
Bauvorhaben mit Wohn- und Arbeitsräumen, die dem längeren Aufenthalt von Personen dienen, haben grundsätzlich die recht strengen gesetzlichen Immissionsgrenzwerte einzuhalten. Entlang lärmiger Strassen und bei innerstädtischen Verkehrsachsen werden solche lärmempfindlichen Räume auf der lärmabgewandten Gebäudeseite anzuordnen sein, wenn keine anderen Baumassnahmen wie beispielsweise Lärmschutzwände in Frage kommen. Seit das Bundesgericht im Jahre 2016 und v.a. 2019 die in manchen Kantonen angewandte «Lüftungsfensterpraxis», nach der jeder lärmempfindliche Raum zumindest über ein zum Lüften geeignetes immissionsgrenzwerteinhaltendes Fenster verfügen musste, gestoppt hat, wurden viele Bauvorhaben in verdichteten Gebieten, etwa durch nachbarliche Baueinsprachen, verhindert. Kernanliegen des öffentlichen Interesses – das Bedürfnis nach Verdichtung sowie haushälterischem Umgang mit dem Boden und der Lärm- bzw. Gesundheitsschutz – sind in akuten Konflikt geraten.
Viele an sich berechtigte Bauprojekte und die betroffenen Bauherrschaften mit ihren Projektentwicklungsaufwendungen sind auf der Strecke geblieben. Eine Revision der Umweltschutzgesetzgebung soll nun Kriterien für die Baubewilligungserteilung in lärmbelasteten Gebieten vorsehen, womit die Rechtssicherheit erhöht würde. Demnach müssten Wohneinheiten über genügend lärmimmissionskonforme Räume verfügen oder alternativ über einen Aussenraum in unmittelbarer Nähe, der die strengen gesetzlichen Planungswerte einhält. Städtebaulich soll zudem das Angebot an Erholungsfreiräumen vergrössert werden. Ziel ist das Verdichten trotz Lärm. Dem Megatrend zur Verdichtung stehen aber weitere, namentlich ökologische Interessen entgegen.
Klimaangepasste Siedlungsentwicklung – neue Einschränkungen für Bauwillige
Aufgrund des Klimawandels, aber auch durch Innenentwicklung des Siedlungsraums, hat die Hitzebelastung in Städten und Agglomerationen zugenommen. Es kommt zum «Hitzeinseleffekt»: Bauten, Strassen und andere versiegelte Flächen heizen sich im Sommer durch Sonneneinstrahlung stark auf, Wasser kann nicht versickern und verdunsten, was zusammen mit fehlenden Pflanzen und Bäumen eine kühlende Wirkung verhindert. Durchlüftung und Kaltluftkorridore können durch Bauten unterbunden werden.
Um dem entgegenzutreten und die Lebensqualität zu erhöhen, braucht es mehr schattenspendende Bäume, weniger Versiegelung, mehr Durchlüftung und Wasser. Im Kanton Zürich wird eine gesetzliche Grundlage für Vorschriften zur Verbesserung des Lokalklimas geschaffen. Mit der Teilrevision 2020 des kantonalzürcherischen Richtplans wird die klimaangepasste Siedlungsentwicklung behördenverbindlich verankert. Weiter sollen mit einer Teilrevision des Planungs- und Baugesetzes geeignete Instrumente für die eigentümerverbindliche Nutzungsplanung geschaffen werden, damit die Gemeinden Klimaschutzmassnahmen gezielt umsetzen können.
Der vorgesehene «Werkzeugkasten» kann Stellung und Dimensionierung der Bauten näher ordnen oder die Begründung eines Näherbaurechts ausschliessen. Die Erhaltung von Bäumen kann zonen- und gebietsweise vorgeschrieben, das Fällen von Bäumen u.U. bewilligungspflichtig erklärt, Pflanzabstände gegenüber Nachbargrundstücken und Strassen reduziert, die Unterbaubarkeit einer Bauparzelle mittels Grünflächenziffer oder Unterbauungsziffer eingeschränkt werden. Die Begrünung und Entsiegelung, etwa durch sickerungsfähige Beläge, kann verbindlich gefordert werden, samt der Bewilligungspflicht für wesentliche Veränderungen der Umgebungsgestaltung. Vorgeschrieben werden kann auch die Gebäude- und Fassadenbegrünung sowie deren Qualität und die Kombination mit Energiegewinnungs- und Erholungsanlagen. Der Massnahmenmix wird nach Bedarf und Möglichkeit erfolgen, was aber aller Voraussicht nach auch (nachbarliche) Rechtsstreite befeuern wird.
Biotopschutz & Biodiversitätsinitiative – Überraschungen möglich
Die vom Bundesrat 2021 eröffnete Vernehmlassung zum indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative verfolgt das Ziel, den Naturschutz zu verstärken, namentlich einen grösseren Teil der Landesfläche als Biodiversitäts-Schutzgebiete gesetzlich zu verankern sowie eine Verbesserung des ökologischen Ausgleichs im Siedlungsraum. Es sollen naturnah gestaltete Bereiche entstehen, etwa Stadtwälder, Wasserflächen sowie begrünte Dächer und Fassaden.
Aber schon heute können Biotopschutzmassnahmen das Bauen erschweren. So kann nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichts das Vorhandensein zahlreicher alter Hecken mit Eignung als Nistplätze auch auf einer Bauparzelle als schützenswertes Biotop gelten. Ebenso kann sogar mitten in der Stadt ein «Brückenbiotop» etwa aus Gemüsegärten, Hecken, Bäumen, Mauern und extensiv bewirtschafteter Grasschicht bestehen oder mangels Bewirtschaftung mit der Zeit entstehen, womit ein Mehrfamilienhausneubau, der zur Rodung solcher natürlichen Lebensräume für Fauna und Flora führen würde, nicht bewilligungsfähig sein kann. Schlimmstenfalls droht der Eigentümerschaft bei Entdeckung eines schützenswerten Biotops gar die Auszonung des Baugrundstücks.
Autor: Daniel Thaler